Barberinische Faun / Yannic Grohmann

Im Rahmen meines Studiums der Klassischen Archäologie arbeite ich zurzeit als Praktikant in der Abguss-Sammlung Antiker Plastik. Vor Corona verbrachten wir lange Stunden in der Sammlung. Ein Objekt, das auf den ersten Blick die Erschöpfung als Sinnbild intensiver Ausstellungsarbeit zu sein scheint, möchte ich Ihnen heute vorstellen.

Yanic Grohmann

Ein unbekleideter junger Mann liegt schlafend auf einem Felsen und präsentiert sich dem Betrachter in ungenierter Nacktheit. So obszön diese Szene auf den ersten Blick aussehen mag, handelt es sich doch nicht nur um die bloße Zurschaustellung eines athletischen jungen Mannes. Wenn der Blick nämlich ins Detail geht, ist am unteren Rücken ein kleiner Tierschweif erkennbar. Auch die Ohren erscheinen zu spitz für einen Menschen. Es ist ein Satyr (auch Faun genannt), ein mythisches Wesen aus dem Gefolge des Weingottes Dionysos. Satyrn sind für exzessiven Genuss und Rausch bekannt.

Die Skulptur scheint uns das Nachspiel eines solchen dionysischen Rausches zu zeigen. Der junge Satyr schläft gelassen auf einem Felsen. Doch die Gelassenheit der Szene täuscht. Der Mund steht ihm offen und die Mimik ist angestrengt, die Augenbrauen sind kontrahiert. Der Satyr befindet sich trotz seines Schlafes in einem Zustand der inneren Unruhe.

Barberinischer Faun

Das Abbilden von emotionalen Zuständen prägt die Kunst des Hellenismus (ca. 330 – 30 v. Chr.). Das griechische Original dieser römischen Kopie wurde im 3. Jh. v. Chr. erschaffen. Emotionale Szenen des Alltäglichen, wenn auch in die mythische Welt versetzt, erzeugen im Betrachter Empfindungen und stimulieren die Phantasie. So auch im Falle des Barberinischen Fauns, der den Betrachter sogar zum Bestandteil der Szene macht. Der Satyr scheint vom Beobachtenden in seinem unruhigen Halbschlaf erwischt worden zu sein; ein voyeuristisches Erlebnis eines intimen Moments in Marmor verewigt.


Mehr Informationen zum Abguss und zum Original unter: https://arachne.dainst.org/entity/1226168