Abguss des Monats: April 2020

Eirene mit Ploutosknaben

Die Göttin Eirene, Tochter des Zeus und der Themis, ist neben ihren Schwestern Eunomia und Dike eine der drei Horen, die für Recht und Ordnung zuständig waren. Doch in Athen galt sie schon früh als Göttin des Friedens. Im Jahre 374 v. Chr. wurde ihr ein staatlicher Kult eingerichtet, in dem sich die jahrzehntelange Friedenssehnsucht der Athener manifestierte. Auf der Westseite der Athener Agora stellte man ein 2 m hohes Kultbild der Göttin auf.

Eirene mit dem Ploutosknaben

Die originale Bronzeskulptur entstand wohl um 370 v. Chr. und war, wie der kaiserzeitliche Reiseschriftsteller Pausanias berichtet, von dem Bildhauer Kephisodot gefertigt. Das griechische Werk ist nicht mehr erhalten, wurde aber in zahlreichen römischen Marmorkopien reproduziert. Die Münchner Glyptothek beheimatet eine solche römische Kopie der Eirene, von der auch der Abguss der Berliner Sammlung abstammt.

Die Göttin verhüllt ihren Körper in einem gegürteten Peplos. In ihrem linken Arm trägt sie einen beinahe unbekleideten Knaben, nur seine Beine sind in ein Tuch geschlungen. Die Frauengestalt hält ein Füllhorn und ein Szepter in den Händen. In der Gewandtracht der Eirene lässt sich ein Rückgriff auf die Kunst der hochklassischen Zeit erkennen. Der schwere dorische Peplos, der in der 1. Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. nicht mehr üblich war, sollte als bewusst eingesetztes Zitat im Betrachter feierlich die Glanzzeit Athens hervorrufen.

Eirene und der Knabe – es handelt sich um den Ploutosknaben, der für Reichtum und Fülle steht – gehen eine allegorische Verbindung ein, wobei Frieden und Reichtum gemeinsam tief im griechischen Denken verwurzelt waren. Bereits bei Theognis heißt es:

Friede und Reichtum mögen in der Stadt herrschen, damit ich mit den anderen feiern kann, denn ich mag den üblen Krieg nicht.

Theognidea 885f. West

Die beiden Figuren stehen allerdings in keinem Mutter-Sohn-Verhältnis. Die Mutter des Ploutos ist Demeter. Eirene fungiert als Kourotrophos, als allgemeines Sinnbild der Mütterlichkeit, die den Knaben großzieht.


Mehr Informationen zum Abguss und zum Original unter:
http://arachne.uni-koeln.de/item/reproduktion/3304457