Als Praktikantin der Abguss-Sammlung Antiker Plastik Berlin habe ich meine Praktikumssitzungen gerne mit einem Spaziergang durch die Halle der Sammlung verbunden, um die ausgestellten und in Depots versteckten Abgüsse antiker Kunstwerke zu betrachten. Dabei verweilte ich häufig für einen Moment vor der Statue eines Mädchens mit den „Mandelaugen“.
Betritt man die Abguss-Sammlung, so begrüßt sie einen gleich im vorderen Bereich. Die als Kore bezeichnete Standfigur eines Mädchens blickt den Besucher mit ihren ungewöhnlich geformten Augen direkt an. Das Gesicht der Statue wirkt im Vergleich zu anderen archaischen Korai weniger stark bewegt, da das für diese Epoche typische archaische Lächeln nur leicht ausgeprägt ist. So strahlt der Gesichtsausdruck eine gewisse Würde aus, an dem ich bei meinen Besuchen gerne teilhatte. Das verhaltene archaische Lächeln lässt eine Datierung der Kore um 500 v. Chr. zu.
Ihr gewelltes Haar fällt in Strähnen über Brust und Rücken. Auf dem Kopf trägt sie ein Diadem, das teilweise abgebrochen ist. Die Ohren schmücken große Ohrringe. Bekleidet ist die Kore mit einem Mantel, darunter trägt sie einen Chiton. Man erkennt ihn am Oberkörper an den gekräuselten Falten.
Bemerkenswert an der Statue sind die Farbreste. Sie belegen die antike Bemalung. Besonders schön ist das Mäandermuster am Saum des Mantels und am Oberschenkel.
Koren wurden von reichen Bürgern als Weihgeschenke in den Heiligtümern aufgestellt oder konnten an den Gräbern an die Toten erinnern. Skulpturen verbildlichten gesellschaftliche Ideale, hier charis, den Liebreiz und die Anmut junger Mädchen. Mit ihrer zierlichen Beschaffenheit setzt sich die Kore von den monumental wirkenden männlichen Statuen ab, die sie in der Abguss-Sammlung umgeben. Das macht sie besonders für mich. Und die Farbreste zeigen, wie bunt und farbenfroh die Antike war.
Zum Stück:
- Original in Athen, Akropolismuseum Inv. 674
- Höhe: 0,92 m
- Material: parischer Marmor
- Datierung um 500 v. Chr.
Mehr Informationen zum Abguss und zum Original unter:
http://arachne.uni-koeln.de/item/reproduktion/3303902